Als Gegengewicht zu dem komplexen, komplizierten, schwierigen und schweren Leben, in das ich hineingeraten bin, stelle ich hier mal ein paar schwebende Momente des Alltags ein. Ein Widerstehen des Leids. Ein Blick auf die schönen kleinen Dinge, die mir passieren und plötzlich auftauchen. Und auch Begegnungen mit Menschen, die irgendwie besonders sind. Letztlich das Staunen darüber, dass dieser Schatten solch eine Sonne werfen kann (wie es in einem meiner Gedichte heißt).

Viel Spaß beim Lesen und Schauen! Und wie immer gilt: Schreib mir gerne eine (nette) Mail an: reinhard@staupe.com

(Urspünglich waren die schwebenden Momente mal für Twitter gedacht, deshalb der extrem kurze Text.)


1)
Gemälde gekauft. Frau 80+, eisgraue Haare, weiße Haut, faltenzerfurcht, knallrote Augen. Bilder ihres verstorbenen Mannes. Talentiert! Braucht Geld für Umzug. Habe ihr mehr gegeben. Ihre Überraschung. Tolles Gespräch. Ich: Schön, dass ich Sie kennenlernen durfte. Berührend.



2)
Durch einen großen Rasensprenger auf dem Sportplatz gerannt... das kühle Kribbeln dabei, ein kurzes Ahh, und ein Regenbogen im Sprühnebel... und hinterher die Tropfen auf der Brille, glänzend wie Diamanten im Sonnenlicht, den Blick gen Himmel. Feel it. Immer wieder dies: feel it!



3)
Bäckerei. Ein Mann (60): völlig normal. Doch da: ein Hörgerät! Beim Rausgehen: Eine Beinprothese. Beides links. 2 Stunden später, zuhause: Ein Schmetterling. Schau!! Ein Flügel halb kaputt!! Tapfer flatter er von dannen. Auch ich. Weitermachen! Und du? Wogegen flatterst du an?




4)
Wir alle bräuchten jemand, der in dunklen Stunden für uns da ist, immer, uns eine Nachricht schickt, den richtigen Ton trifft, uns aufbaut, ein Lampe aus der Ferne anknipst. Jede Nachricht eine Blume - und nach einem Jahr ein ganzes Sonnenmeer. Und ein Danke, dass es dich gibt, Du Engel!



5)
Nach etlichen absurd-heißen Sommertagen ein prasselndes, mächtiges, befreiendes Gewitter. Hunderte Leute und Autos vom Bullensee nur so weggespült, dampfender Asphalt hernach, als hätte sich alles in Luft aufgelöst. Das Wesentliche bleibt und ich kann endlich wieder atmen!


6)
Irreal. Lüneburger Heide. Lese Schopenhauer im Restaurant: "Denn Unfälle, große und kleine, sind das eigentliche Element unseres Lebens." 30 Minuten später, mitten im Moor, idyllisch, ruhig, leer, entspannt, niemand weit und breit, und plötzlich eine Frau, gestürzt, Knöchel gebrochen - wie zum Beweis.



7)
Freibad-Imbiss. Kellner: Sie lesen Ooppen-Auer? - Ja, Schopenhauer! - Ich gelesen. Gute Buch! Nur: pessimistisch! - Naja, es ist halt ALLES wahr! -- Grieche, 24, total nett. Plaudern lange. Sein Deutsch mach es schwierig, seine Art leicht. Liest Camus. Sein Name: PLATON!!! :-)




8)
Shopping-Mall-China-Restaurant. Drinnen! Preiswert, laut, voll. Clean, abgezirkelt, geschäftsmäßig. Plötzlich Stille & Schönheit an meinem Tisch, seh sie kommen, zielsicher, wie ein erhörtes Gebet. Bleibt 2 min. Winkt farbenfroh zum Abschied. Es ist da! Überall! Wenn wir da sind!



9)
Mein Werwolfbus. Viele nette Begegnungen damit. Wasn das? Cooles Game! Vorhin. Ebay-Verkäufer, Alt-Punk-Rocker. Plaudern lange. Anne Clark. Vinyl. Draußen frohlockt er: Wir haben uns schon mal getroffen. Uesen. Brücke. Hunde. Dein Bus!! - Spielen verbindet. That's why I love it!



10)
Wunderschönes Sinnbild in den Wümmewiesen. Nichts mehr wollen als dies: sanft fließen, gelassen sein, in festem Bette klar den Himmel spiegeln. Doch unentrinnbar gebrochen werden - und aufgewühlt. Aushaltenmüssen. Die Kurve kriegen. Ruhe sehnen. Einen See finden. Ins Meer münden.



11)
Verrückt. Ein Greifvogel, ganz hoch oben. Verliert etwas. Winzig. Kaum erkennbar. Es trudelt, endlos, macht ne Kurve, kommt näher, übers Feld, über die Straße, landet GENAU dort, wo wir immer mit Hund in den Wald gehen. Runtergefallen? Ha - geworfen! Vom Himmel. Zu uns. Magisch.

Das Video dazu ist auf meiner Facebook-Seite!



12)
Abendliches Zwielicht. Liebste Zeit des Tages. Du Gleichmacher! Du Auflöser! Nimmst den Dingen die Farbe, bis nur noch Schwarz vor Dunkelblau bleibt. Dahinter die Sterne. Die Welt wird eins – am Rande der Galaxie. Ich verschwinde in allem. Und alles in mir – irgendwie...



13)
Wir alle brauchen Lieblingsplätze, die wir immer wieder aufsuchen, an denen wir uns selbst begegnen. Trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge, die dich ereilen, kannst du dann jedes Mal sagen: Geschafft, ich bin wieder da. Solange ich hierher zurückkehre, ist alles gut!



14)
Natürliches Wachstum kennt keine gerade Linie. Und so sollten wir uns angewöhnen, jeden Gleichschritt mit einem Hopser zu durchbrechen, jedes auferzwungene Korsett abzustreifen. Unseren Takt finden. Unseren Weg gehen. Schräg und eigen. Aber ganz du selbst.




15)
Wer, wenn nicht ich, weiß, wie ihr euch fühlt?! Die Farbe: weg! Das Strahlen: weg! Hängende Köpfe und traurigstes Verlorenhaben. Gewesensein. Doch seid gewiss: hinter dem Winter wartet ein Aufblühen. Wärme. Neubeginn. Nur durchhalten müssen wir. Und Freunde, die zu uns stehen...


16)
Völlig abgespaced. MRT. Im Keller. 100 rot-blau-grüne Lämpchen. Irreal lautes Scan-Surren. Die Lüftung stampft. Wa-dumm, Wa-dumm, unaufhörlich. Schaue regungslos hoch in tausend Löcher, die die Decke 3-D-mäßig (kein Scheiß) zwei Meter anheben. Fehlen nur noch die Morlocks!


17.)
Wie anders soll denn Glück aussehen,
als mit dir, mein Kind,
durch diese wundervolle Welt zu gehen?